Siedlungsgeschichte auf dem Bamberger Zinkenwörth

Archäologische Grabungen im Rahmen der Theatersanierung

Abb. 1 Der Stadtplan von Petrus Zweidler aus dem Jahr 1602 zeigt den Zinkenwörth mit seiner zum Teil noch heute stehenden Bebauung.

Abb. 1 Der Stadtplan von Petrus Zweidler aus dem Jahr 1602 zeigt den Zinkenwörth mit seiner zum Teil noch heute stehenden Bebauung.

Die Inselstadt, zu der eine Kirche, ein Friedhof und seit dem 13. Jahrhundert eine Stadtmauer gehörten, stellt dem derzeitigen Forschungsstand zufolge einen der drei Siedlungskerne dar, aus denen das heutige Bamberg hervorgegangen ist. Sie liegt auf einer Sandbank zwischen den beiden Hauptarmen der Regnitz und zwischen der Domstadt und der Handelssiedlung am karolingischen Fernhandelsweg von Regensburg über Forchheim und Hallstadt nach Bardowieck in Niedersachsen, der heutigen Königsstraße. Die Regnitz bildete hier jedoch vor ihrer Kultivierung ähnlich einem Delta eine ganze Reihe von Armen aus. Diese Nebenarme trennten weitere Inseln von der Sandbank ab, die ebenfalls bewohnt waren, so auch die des heutigen Zinkenwörths, dessen Beiname „-wörth“ auf eine solche Inselsiedlung hindeutet.

Abb. 2 Lage der Grabungsschnitte.

Abb. 2 Lage der Grabungsschnitte.

Der Zinkenwörth, das Gebiet um den heutigen Schillerplatz, lag ursprünglich vor der mittelalterlichen Inselstadt und ist ein eigener Siedlungsbereich. Solche „Vorstädte“ sind bei den meisten mittelalterlichen Städten zu finden. Sie sind entweder eigenständige, womöglich bereits vor der Stadt gegründete Siedlungen, an die die Stadt heranwächst oder Siedlungen, die sich im Umfeld der Stadt ausbilden und die von Zugezogenen oder Angehörigen niederer sozialer Klassen bewohnt werden, denen ein Wohnsitz in der Stadt verwehrt ist.

Im Jahr 1307 wird das Gebiet erstmals namentlich erwähnt. Eine Urkunde nennt eine „portula“, d.h. eine Pforte, in der Stadtmauer zum Zinkenwörth. Weitere Nachrichten sind spärlich, so dass weder etwas über die genaue Struktur der mittelalterlichen Siedlung, noch über die Tätigkeit ihrer Bewohner aus den Quellen zu erfahren ist.

Das im Jahr 1340 gegründete Klarissenkloster am Südrand des heutigen Theatervorplatzes, der im 19. Jahrhundert den Namen Schillerplatz erhielt, stellt die älteste noch nachvollziehbare Bebauung dar. Es wurde 1939 abgebrochen, nachdem es seit 1803 u. a. als Stallung genutzt worden war. Die heute bestehende Bebauung um den Schillerplatz lässt sich bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen. Der Stadtplan von Petrus Zweidler (1602) zeigt, dass der Platz in seiner Form vom heutigen kaum abwich. Die Bebauung war jedoch lockerer. Hinter den platzständigen Häusern schlossen sich jeweils große Gärten an, die durch Holzzäune voneinander getrennt waren.

Anfängliche Versuche, den Zinkenwörth mit einer eigenen Befestigung zu umgeben, scheiterten am Widerstand der Bischöfe. Erst am Ende des 15. Jahrhunderts wurde der Stadtteil in den erweiterten Bering der Stadtbefestigung aufgenommen und gehörte zweifelsfrei zum Stadtgebiet. Erwähnung verdient die Tatsache, dass die Siedlung trotzdem bis ins 18. Jahrhundert die Rechte einer Sondergemeinde besaß.

Abb. 3 Das Grundstück Schillerplatz alt 1 vor Grabungsbeginn.

Abb. 3 Das Grundstück Schillerplatz alt 1 vor Grabungsbeginn.

Vor dem Hintergrund dieser historischen Vorkenntnisse begannen die archäologischen Grabungen, die entsprechend den denkmalrechtlichen Vorschriften und Gesetzen den Theaterneubau begleiteten. Um eine Beeinträchtigung des Baubetriebs zu vermeiden, wurden die Grabungen in drei Kampagnen durchgeführt.

Abb. 4 Pfostenlöcher des 12. und 13. Jahrhunderts.

Abb. 4 Pfostenlöcher des 12. und 13. Jahrhunderts.

Im Sommer 1999 wurde ein Schnitt im ehemaligen Harmoniegarten an der Richard-Wagner-Straße angelegt. Der mit etwa 130 m² relativ große Schnitt bestätigte das Bild des Zweidlerplans. Es fanden sich keine Reste älterer Gebäude. Das Gelände wurde seit dem 14. Jahrhundert als Garten genutzt. Sogar ein Zaun wie er ebenfalls auf dem Zweidlerplan zu sehen ist, ließ sich aus einer Reihe von Holzpflöcken deuten. Einige Abfallgruben enthielten Keramik und Küchenabfälle.

Wichtigster Befund war hier jedoch eine Schwemmschicht, aus der geschlossen werden konnte, dass das Gelände im 14. Jahrhundert überflutet war. Der Befund deckt sich mit der urkundlichen Überlieferung. Bezeugt sind im 14. Jahrhundert zwei Überschwemmungskatastrophen: Im Jahr 1342 werden die Bamberger Brücken von Hochwasser beschädigt, im Jahr 1348 überflutete ein Jahrhunderthochwasser große Teile der Inselstadt.

Im Februar 2000 schloss sich der zweite Untersuchungsabschnitt an. In den Gebäuden Schillerplatz 3, 5 und 7 wurde jeweils ein kleiner Schnitt angelegt, um den unter den Fußböden liegenden Schichtaufbau zu klären. Die Schnitte in Schillerplatz 5 und 7 lagen im Keller des Theaters bzw. der Gaststätte „Theaterrose“. Es zeigte sich, dass in dieser Tiefe nicht mehr mit Befunden zu rechnen war. Der ebenerdige Schnitt im Gebäude Schillerplatz 3 barg jedoch direkt unter dem modernen Betonboden Reste einer Kulturschicht mit Scherben, die ausschließlich aus dem 13. Jahrhundert stammten. Hier hatten sich offensichtlich Reste erhalten, die vor die Ersterwähnung zurückreichen und die den Anlass boten, die ebenfalls nicht durch Keller gestörten Flächen im nördlichen Nachbargebäude Schillerplatz alt 1 zu untersuchen.

Abb. 5 Schnitt durch ein Pfostenloch. Der Sockelstein verhindert das Einsinken des Pfostens im Sand.

Abb. 5 Schnitt durch ein Pfostenloch. Der Sockelstein verhindert das Einsinken des Pfostens im Sand.

Die Untersuchung in Schillerplatz alt 1, der ehemaligen Theaterschlosserei, wurde nach Abbruch des Gebäudes im Februar und März 2001 durchgeführt. Die Grabung auf der etwa 50 m² großen Fläche erbrachte trotz einer Reihe von Gruben und Störungen des 19. und 20. Jahrhunderts aufschlussreiche mittelalterliche Siedlungsreste und Funde: Die mittelalterliche Besiedlung reichte zumindest bis in das 12. Jahrhundert zurück.

Abb. 6 Keramik des 12. und 13. Jahrhunderts aus den Pfostenlöchern und der Schwemmschicht.

Abb. 6 Keramik des 12. und 13. Jahrhunderts aus den Pfostenlöchern und der Schwemmschicht.

Abb. 7 Abfall des „Paternostermachers“. Ein Teil eines Rosenkranzes hat sich sogar mit Schnur erhalten.

Abb. 7 Abfall des „Paternostermachers“. Ein Teil eines Rosenkranzes hat sich sogar mit Schnur erhalten.

Die ersten Siedlungsbefunde bestanden aus tief in den Sand eingegrabenen Holzpfosten, den einzigen Überresten einfacher Holzhütten. Diese Hütten wurden in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts Opfer eines Hochwassers, das, nachdem alles Obertägige weggeschwemmt war, mit einer Lehmschicht die verbliebenen Reste bedeckte. Nach der Überschwemmung wurde der Platz bald wieder genutzt. Über der Schwemmschicht bildete sich rasch wieder eine Kulturschicht aus.

Abb. 8 Spinnwirtel aus Speckstein. 13. Jahrhundert.

Abb. 8 Spinnwirtel aus Speckstein. 13. Jahrhundert.

Über die Tätigkeit der ersten Bewohner erfahren wir aus den archäologischen Hinterlassenschaften nichts. Ein deutlicheres Bild ergibt sich für die Zeit nach dem Wiederaufbau des 13. Jahrhunderts. Durch den Fund von Werkstücken, Abfällen und sog. Halbfabrikaten können wir eine Drechslerwerkstatt nachweisen, in der im 13. und 14. Jahrhundert aus Knochen Perlen für Rosenkränze und aus Speckstein Spinnwirteln hergestellt wurden. Das zur Drechslerwerkstatt gehörige Gebäude erschloss sich indirekt durch die im Schnitt erhaltenen, zugehörigen Fußböden. Derartig einfaches Handwerk fand sich oft gerade im Vorstadtbereich mittelalterlicher Städte.

Abb. 9 Lage des Ofens aus dem 15./16. Jahrhundert.

Abb. 9 Lage des Ofens aus dem 15./16. Jahrhundert.

Daneben konnten mehrere Öfen nachgewiesen werden, von denen der chronologisch jüngste in anschaulichen Resten überkommen war: Der hufeneisenförmige, aus Ziegeln gesetzte Ofen war mit Lehm ausgeschmiert und trug wohl ein Becken oder einen metallenen Bottich. Hinweise zum genauen Verwendungszusammenhang fanden sich jedoch nicht. Zunächst verleiteten ein aus der Verfüllung des Ofens geborgener Glättstein und eine seifige Substanz zu einer Interpretation als Waschküche. Die Keramik aus der Verfüllung des Ofens datiert jedoch die Aufgabe des Ofens ins 16. Jahrhundert, eine Zeit, zu der gläserne Glättsteine schon lange aus der Mode gekommen und durch Bügeleisen ersetzt worden waren. Nach Aufgabe des Ofens kam es zu weiteren Veränderungen. Das dazugehörige Gebäude wurde wohl abgebrochen und das auf dem Zweidlerplan dargestellte Haus wurde errichtet. Hierzu haben sich jedoch kaum Spuren erhalten, die uns den Grundriss erschließen. Die Eingriffe durch den Abbruch des spätmittelalterlichen Hauses und beim darauffolgenden Neubau im 19. Jahrhundert waren zu groß.

Abb. 10 Der Ofen während der Freilegung.

Abb. 10 Der Ofen während der Freilegung.

Abb. 11 Bügelstein des 13./14. Jahrhunderts.

Abb. 11 Bügelstein des 13./14. Jahrhunderts.

Abb. 12 Keramik aus der Verfüllung des Ofens, beginnendes 16. Jahrhundert.

Abb. 12 Keramik aus der Verfüllung des Ofens, beginnendes 16. Jahrhundert.

Die Grabungen am Schillerplatz zeigen, dass der südliche Randbereich der Regnitzinsel auch außerhalb der mittelalterlichen Stadt bereits spätestens seit dem 12. Jahrhundert besiedelt war. Die Siedlung war jedoch den Unbillen des Flusses ausgesetzt. Hochwasser und Überschwemmungen führten hier anscheinend noch im hohen Mittelalter zu topografischen Veränderungen. Erst mit dem beginnenden 14. Jahrhundert wurden die Verhältnisse so stabil, dass sich bleibende Strukturen entwickeln konnten. Diese bilden bis heute die Grundlage des Stadtteils.

Jochen Scherbaum M.A.

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